Zu schüchtern oder zu introvertiert um zu sprechen

Das Sprechen einer Fremdsprache ist eine Fähigkeit, die einiges an Praxis erfordert, wenn man wirklich gut darin sein will.
Die passive Anwendung, also zuhören und lesen, bereitet kaum jemandem psychologische Schwierigkeiten. Anders sieht es bei der aktiven Anwendung aus. Da wird so manchen plötzlich unbehaglich zumute.

 

 Eine Sprache aktiv anzuwenden, bedeutet, hinaus zu gehen und neue Menschen kennenzulernen, viel Zeit aufzuwenden, um Gespräche zu führen und Fehler zu machen.

 

Für extrovertierte Menschen klingt das aufregend und sie können es nicht erwarten, die ersten holprigen Sätze mit anderen auszutauschen.

 

Für introvertierte oder gar schüchterne Menschen ist das eine ziemlich grauenhafte Vorstellung.

 

Schüchternheit und Introvertiertheit ist nicht das selbe!

Einem schüchternen Menschen können soziale Interaktionen Angst machen, ein Introvertierter findet sie nur anstrengend.
Es geht bei der Unterscheidung zwischen extrovertiert und introvertiert mehr darum, woraus du deine Energie gewinnst.
Ein extrovertierter Mensch blüht in Gesellschaft regelrecht auf, hat keine Hemmungen, los zu plappern und fühlt sich danach gestärkt.

Wenn ein introvertierter Mensch versucht zu lernen und zu agieren wie ein extrovertierter, wird das nicht funktionieren, da beide einfach zu unterschiedliche Bedürfnisse haben.

 

Welcher Typ bist du?

Um das herauszufinden, frage dich, wie es dir mit sozialen Interaktionen geht. Kostet es dich viel Energie, mit anderen zusammen zu sein und du brauchst danach längere Zeit für dich alleine? Dann bist du eher ein introvertierter Typ.
Bitte betrachte das nicht als schwarz-weiß Definition. Jeder Mensch trägt beides in sich.
Es kommt dabei darauf an, wie viel Energie es von jedem abverlangt, auf Menschen zu zu gehen und sich auf sie einzulassen.

 

Wie könnte deine Strategie als Introvertierter aussehen?

Versuche herauszufinden, über welche Energiereserven du verfügst und wo deine Grenze liegt, bevor du dich in soziale Interaktionen stürzt, die dich vielleicht erschöpfen. Du solltest dich ohne Schwierigkeiten daraus befreien können. Setz dir ein Zeitlimit, wenn du zu einem größeren Gruppentreffen gehst und lass die Leute wissen, dass du nicht bis zum Schluss bleiben kannst.

 

Introvertierte Menschen bevorzugen eher ein Einzelgespräch anstatt gleich mit einer Gruppe von Leuten zu reden. Das Internet bietet dazu genügend Möglichkeiten. Du kannst einen Tandem-Partner finden oder dir von einem Tutor helfen lassen.

Das beste daran ist, dass es deinen Bedingungen entspricht, die Zeit vorher festgelegt ist und du das ganz bequem von zu Hause aus durchführen kannst. Wenn du das persönliche Gespräch bevorzugst, kannst du dich über verschiedene Portale mit Leuten auf einen Kaffee verabreden.

 

Nichtsdestotrotz wirst du deine Komfortzone verlassen müssen. Um Fortschritte zu machen, musst du dich selbst ein wenig antreiben.

Nimm dir die Zeit, die du brauchst, um dich auf die geplanten Aktivitäten, neue Gesprächspartner und Situationen vorzubereiten.
Ruhe dich vorher noch ein wenig aus, tanke Kraft und Energie und achte auf deine Grenzen.

 

Das ist jetzt aber kein Freibrief, um den praktischen Teil – sprechen mit anderen in der Fremdsprache – immer wieder aufzuschieben und stattdessen nur Bücher zu lesen, Filme zu sehen oder Podcasts zu hören.

Um in der für dich fremden Sprache besser sprechen zu können, musst du sprechen üben.

Auch Fahrradfahren oder Schwimmen hast du nur gelernt, in dem du es getan hast.

Finde eine Balance zwischen passivem und aktivem Lernen. Trau dich, neues auszuprobieren und experimentiere ein wenig damit.

 

Leicht gesagt, aber was kannst du tun, wenn du schüchtern bist und dir das Angst macht?

Wenn du schüchtern bist, wird sich das nicht auf Interaktionen in einer Fremdsprache beschränken, sondern du wirst grundsätzlich nervös sein und dich unwohl oder gar ängstlich fühlen, wenn du mit folgenden Situationen konfrontiert wirst:

  • neue Leute treffen
  • im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen
  • beobachtet werden
  • eine Unterhaltung beginnen zu müssen
  • Komplimente erhalten

Versuche, ehrlich zu dir selbst zu sein und dies zu akzeptieren. Erstaunlicherweise ist dies der erste Schritt dazu, wie du deine Schüchternheit überwinden kannst, denn dadurch, dass du dir eingesteht, schüchtern zu sein, kannst du den Mut für den zweiten Schritt finden:

Dir Unterstützung und Hilfe zu suchen.
Um Hilfe zu bitten ist niemals einfach, aber denke daran, dass die meisten Menschen in deinem Umfeld, deine Freunde und deine Familie, dir sehr gerne und freudig helfen werden, wenn du fragst. Falls du das nicht willst, besteht immer noch die Möglichkeit, professionelle Hilfe von einem LifeCoach oder Therapeuten in Anspruch zu nehmen.

 

Wenn du dich dazu entschlossen hast, deine Komfortzone zu verlassen, mach kleine Schritte. Spiel die Situation für dich gedanklich durch, vielleicht auch mit deinen Freunden in einem Rollenspiel oder was immer dir dazu einfällt. Aber achte darauf, nicht zu viel von dir selbst dabei zu fordern und verschiebe die Grenzen deiner Komfortzone ganz allmählich. Viele Mini-Schritte ergeben am Ende auch einen großen Sprung.


Lass dich von deiner Schüchternheit nicht davon abhalten, deine Träume von einer neuen Sprache zu verwirklichen. Du hast dadurch die Möglichkeit, dich neu auszudrücken und dich zu verändern.
Manche Mehrsprachler behaupten sogar, es würde sich mit jeder Sprache die Persönlichkeit verändern. Nun, dem kann ich nicht zustimmen. Der Kern der Persönlichkeit verändert sich nicht mehr, aber das, was in deiner Persönlichkeit angelegt ist und Aspekte, die bislang unterdrückt wurden, können hervortreten und dich strahlen lassen.