Ist Grammatik pauken wirklich notwendig?

Viele Menschen haben das Gefühl, nicht in der Lage zu sein, eine Fremdsprache jemals richtig sprechen zu lernen, da sie an der Grammatik scheitern.

Die Grammatik ist der Punkt beim Fremdsprachenerwerb, den die meisten hassen, den sie nicht verstehen,  das Sprachenlernen deswegen aufgeben und sich für „sprachunbegabt“ halten.

Das Problem ist, dass in unserem Bildungssystem die meisten Sprachunterrichte von der Idee nahezu besessen sind, man könne durch das Auswendiglernen von Grammatikregeln und ihren zahlreichen Ausnahmen eine Sprache fließend sprechen lernen. Durch die frühe und starke Betonung auf das Lernen der Grammatik zäumt man das Pferd von hinten auf.

Alternative zum Motivationskiller Grammatik

Dabei wäre es – darin sind sich viele Mehrsprachler einig und auch mein Lieblings-sprachtrainer für Englisch, A.J. Hoge, bestätigt dies – gar nicht notwendig, sich so viel mit Grammatik zu befassen.

 

Donovan Nagel, ein bekannter Name in der Welt der Polyglotts, setzt noch eins drauf und sagt, Grammatik zu lernen, regelrecht zu pauken, ist die schlechteste und schlimmste Art, mit einer lebendigen Sprache umzugehen. Das will ich jetzt nicht beurteilen; es ist einfach seine Meinung, die auf seiner Erfahrung mit dem Erlernen mehrerer Fremdsprachen beruht. Ich stimme ihm aber zu, dass sich Grammatiklernen unnatürlich anfühlt und ein echter Motivationskiller ist.

 

Wahrscheinlich bist du jetzt überrascht zu hören, dass Grammatik lernen nicht nötig sein soll. Schließlich kennst du das so aus dem Sprachunterricht in deiner Schulzeit als Teeanager und selbst heute noch ist das in jedem Kurs und jedem Lehrbuch ein wichtiger, herausragender Punkt.

Aufgrund deiner bisherigen Erfahrung mit dem Erlernen einer Sprache verstehe ich, dass du bezweifelst, man könne gute Sprachkenntnisse auf mindestens mittlerem Niveau erreichen ohne Grammatik zu lernen. Wie soll das gehen?

 

Die Alternative dazu ist so weit entfernt von einem akademischen Ansatz, im Gegenteil so einfach und natürlich, dass man sich kaum vorstellen kann, es könnte auf diese Weise gelingen. Doch viele Polyglotts (Mehrsprachler) haben es mehrmals mit verschiedenen Sprachen bewiesen.

Einer dieser Polyglotts hat für diese Methode einen technischen Begriff verwendet, den man als „Stück, Brocken, Segment“ übersetzten kann.

Bei der Methode der „Segmente lernen“ geht es darum, Phrasen und komplette Ausdrücke mit einer bestimmten Bedeutung im Kontext zu lernen, ohne sie in ihre semantischen Bestandteile zu zerlegen und grammatikalisch zu analysieren. Halte dich dabei auch nicht mit einer wörtlichen Übersetzung auf, sondern konzentriere dich auf die Bedeutung der kompletten Ausdrücke.

 

Erst die zugrundeliegenden Grammatikregeln zu lernen und anschließend zu versuchen, alles zusammen in einem Gespräch anzuwenden, ist unglaublich ineffektiv und stressig.

Versuche, die Phrasen und Ausdrücke so zu benutzen, wie du sie gehört hast und mach dir keine Gedanken darüber, wenn dir die grammatische Struktur unklar ist und du noch keine eigenen Sätze mit diesen Wörtern bilden kannst.

 

Notier dir am besten aus deinen fremdsprachigen Unterlagen die Ausdrücke und Phrasen, die du für deine Gespräche als nützlich erachtest und wiederhole sie wieder und immer wieder, bis sie dir genauso natürlich vorkommen wie Ausdrücke und feststehende Begriffe in deiner Muttersprache.

 

Du denkst jetzt wahrscheinlich, dass du nur ein paar Wörter oder höchstens einen ganzen Satz gelernt hast und damit wenig anfangen kannst. Damit liegst du falsch.

Nach mehrmaliger Wiederholung hast du für dich quasi eine grammatikalische Gewohnheit begründet und die Struktur verinnerlicht. Wenn dir die Phrasen und Ausdrücker immer vertrauter sind und du sie schon in verschiedenen Situationen richtig angewandt hast, wirst du von selbst anfangen, mehr auszuprobieren und einzelne Wörter durch andere ersetzen, um dir eigen Sätze daraus zu bilden.

 

Konzentriere dich mehr darauf, anstatt auf Grammatik und Analyse der Syntax. Im Verzicht zur Analyse liegt der Schlüssel zum Verständnis der Sprachblöcke, die du lernst, ohne darüber lange nachzudenken.

Durch Dialoge lernen

Lerne von natürlichen Dialogen

Es ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass du mit guten, natürlich klingenden Dialogen arbeitest. „Natürlich“ bedeutet hier, dass Muttersprachler in ihrer normalen Geschwindigkeit sprechen und keine veralteten Wörter oder Ausdrücke verwenden, die du heute im Alltag nicht mehr hören wirst. Ebenso sollte die Sprache nicht „formeller“ sein, als sie es in Wirklichkeit ist.

 

Betrachte und behandle die Sätze wie deinen Lieblingssong, den du so oft als möglich hören willst. Sprich alles nach, was du hörst und wende es bei nächster Gelegenheit in einem Gespräch gleich an.

 

Mach dir keine Gedanken darüber, wenn du anfangs (oder auch später) Fehler machst. Besser einen Fehler machen, als gar nichts von sich zu geben. Von nichts kannst du nichts lernen. Und die Muttersprachler helfen dir gerne mit der richtigen Form, wenn du daran interessiert bist, nachfragst und um Korrektur bittest. Die meisten Menschen freuen sich darüber, helfen zu dürfen und zu können. Sie werden dich nicht für dumm halten, weil du etwas nicht weißt oder kannst, sondern anerkennen, dass du so viel Interesse an ihrer Sprache hast.

Was tun, wenn du Grammatik lernen musst?

Grammatikregeln sind der Versuch, bestimmte Sprachmuster zu erkennen, zu erklären und auf ähnliche Situationen und Fälle übertragbar zu machen. Leider gibt es zu jeder Regel meist eine Ausnahme, da sich eine lebendige Sprache eben nicht so ohne weiteres in ein starres Schema pressen lässt.

 

Wenn du eine Prüfung absolvieren musst, um als Nachweis deiner Sprachkenntnisse ein Zertifikat zu erhalten, hast du keine Wahl. Es bleibt dir leider nichts anderes übrig, als dich ausgiebig mit Grammatik zu beschäftigen.

 

Es gibt in Fremdsprachen Grammatikaspekte, die es in der Muttersprache nicht gibt. Eine Regel dazu auswendig zu lernen, ohne das Konzept dahinter zu verstehen, wird dir nicht helfen, die Regel richtig anzuwenden.

Eine Möglichkeit ist, diese Aspekte in einer Zeichnung darzustellen. Das kann ein einfaches Bild sein, das den Grammatikaspekt veranschaulicht.

Der Gebrauch der unterschiedlichen Zeitformen ließe sich beispielsweise gut auf Zeitsträngen darstellen.

Anhand von Mustersätzen und farblichen Markierungen können die Unterschiede zwischen der Grammatik der Muttersprache und der Fremdsprache hervorgehoben und verdeutlicht werden.

Ein Grammatikbuch ist im Grunde genommen nur ein Nachschlagewerk. Daher ist es auch nicht notwendig, es in der Kapitelreihenfolge durchzuarbeiten.

 

Beschränke dich auf die Grammatikteile, die für dich absolut notwendig sind. Dazu gehören grundlegende Verbformen, Adjektive, Pronomen und dergleichen.

Lerne Grammatik wie deinen Wortschatz am besten im Kontext und in der Verwendung von natürlichen Sätzen.