Gibt es eine "richtige" Art, eine Sprache zu lernen?

Was ist die beste Methode, um eine andere Sprache zu erlernen?

Declan Cooley, CELTA-Trainer beim British Council in Polen, hat diese Frage untersucht und bietet folgende Erklärung:

Eine Möglichkeit, über verschiedene Ansätze zum Erlernen einer Sprache nachzudenken, besteht darin, zwei Enden des Spektrums zu betrachten, das heißt, sich zwei diametral entgegengesetzte Wege, um eine Sprache zu lernen, anzusehen.

 

Am einen Ende des Spektrums haben wir einen Touristen, der in einem Land, dessen Sprache er nicht spricht, einen Kaffee bestellen möchte. Wie kann er oder sie das Getränk bestellen, ohne sich zu blamieren oder Ärgernis oder Verwirrung zu verursachen?

Um herauszufinden, was zu tun ist, hört der Tourist anderen Kunden zu und versucht, das Wort für „Kaffee“ zu finden. Anfangs klingt diese Fremdsprache wie ein plätschernder Strom von Silben ohne erkennbare Wortgrenzen. Nach einiger Zeit scheint sich jedoch immer wieder ein Wort in einem Moment zu wiederholen, in dem die Kunden ihre Bestellung aufgeben und der Tourist nimmt dieses Wort als das Wort für "Kaffee" wahr.

Er bemerkt auch ein Wort, das immer folgt (nie vorangeht), das er als Zeichen der Höflichkeit interpretiert. Nach einigem stillen Üben wagt der Tourist den Versuch, seinen Kaffee zu bestellen.

Die Barista könnte eine freundliche Korrektur seiner Aussprache und Wortstellung anbieten, die unser Tourist dann laut oder für sich selbst wiederholen kann.

 

Am anderen Ende des Spektrums haben wir einen Literaturliebhaber in seinem Heimatland, der eine Sprache lernen will, indem er die Titelseite einer Zeitung übersetzt. Da er die Sprache nicht kennt, hat er einen Privatlehrer, der mit ihm den Text, Wort für Wort, Satz für Satz, übersetzt, während er auf Zeitformen und Wortarten hinweist. Als Ergebnis lernt der Literaturliebhaber Wörter wie "Kaffee" und unter anderem Grammatikaspekte kennen.

Was bringt diese Ansätze zu entgegengesetzten Enden des Spektrums?

 

Scott Thornbury, Autor von "An A-Z of ELT", hat darüber gesprochen, wie alle so genannten "Methoden" die folgenden neun grundlegenden Fragen zum Prozess des Spracherwerbs beantworten müssen; und jede Antwort muss irgendwo am Ende der zwei Gegensätze stehen, die in Klammern angegeben sind.

1. Was sind die Merkmale der Sprache, auf die sich der Lernende primär konzentrieren muss (Funktion oder Form)?

2. Wie geschieht das Lernen hauptsächlich (durch Erfahrung oder Analyse)?

3. Was ist das Hauptziel (Kommunikation oder Genauigkeit)?

4. Was ist am wichtigsten im Lehrplan (Fähigkeiten oder Systeme)?

5. Wie sollte dieser Lehrplan (integriert oder getrennt) geliefert werden?

6. Was ist wichtiger bei der Annäherung des Lernenden an die Sprache
    (affektiv oder kognitiv)?

7. Was ist der vorherrschende Lehrstil (dialogisch oder transmissiv)?

8. Wie werden vorhersehbare Sprachmuster gelernt (induktiv oder deduktiv)?

9. Wie wichtig ist die Muttersprache der Lernenden, um ihnen zu helfen, zu lernen
    (einsprachig oder zweisprachig)?

 

Das Beispiel des Café-Touristen zeigte einen Lernansatz, der mehr auf Funktion beruhte (die Notwendigkeit, einen Kaffee zu bestellen) als Teil einer realen Erfahrung, in der er kommunizieren musste.
Eingebettet in eine fremdsprachliche Umgebung, konzentrierte sich der Tourist hauptsächlich auf Zuhören und Sprechen. Er berücksichtigte die mit der Interaktion verbundenen Emotionen, interpretierte die Sprache und modellierte (kopierte) seinen Satz aus einem Beispiel-Dialog. Auf diese Weise erarbeitete er sich korrekte Sprachfertigkeiten, die er nur über die Zielsprache erlernte.

Er erhält möglicherweise auch Echtzeitkorrekturen von der Barista, was seine Leistung verbessert, wenn er die Aufgabe wiederholt.

 

Der Literaturliebhaber wird sich natürlich auf die Bedeutung konzentrieren, aber wenn er die Regeln lernt, werden die Muster in den Sätzen und im Text das Wichtigste sein.

Er kann diese analysieren und möglicherweise ähnliche Beispiele schreiben, um sicherzustellen, dass er die Regel richtig verstanden hat. Er wird sich darauf konzentrieren, die Teile der Sprache und die Satzelemente wie Subjekt, Verb und Objekt zu kennzeichnen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlernen der Sprache als eigenständiges Thema während einer bestimmten Zeit des Tages. Das Lernen beinhaltet eine Menge "Gehirnschmalz", um die Muster zu verstehen, aber seine eigene Persönlichkeit und Emotionen spielen keine große Rolle. Natürlich informiert ihn sein Lehrer darüber, was alle Wörter bedeuten, damit er keine Bedeutung für sich selbst herausfinden muss. Schließlich hängt das Lernen stark davon ab, dass seine Muttersprache als Medium benutzt wird, durch das er die andere Sprache lernt.

 

Wenn wir auf die Geschichte des Sprachunterrichts in Großbritannien zurückblicken, sind beide Ansätze in ihren Ursprüngen präsent. Die Herangehensweise des Touristen spiegelt sich in der frühesten bekannten Anleitung zum Erlernen einer Sprache (für Reisende, die nach Frankreich gingen), die 1396 von einem unbekannten Autor geschrieben wurde und aus typischen Dialogen bestand, die man damals im wirklichen Leben hören konnte.

 

Grammatik zu lernen stand nicht im Mittelpunkt, da erst 1530 eine Beschreibung der französischen Grammatik für Lernende von John Palsgrave veröffentlicht wurde.

Weitere 110 Jahre später, 1640, wurde die erste pädagogische Grammatik des Englischen "zugunsten aller Fremden" von Ben Johnson verfasst.

Der Ansatz des Literaturliebhabers hat eine lange Geschichte von der Antike bis zur Entwicklung der Grammatik-Übersetzungsmethode, die in den 1780er Jahren in Preußen begann. Es beinhaltete Grammatikregeln, zu lernende Wortlisten und Übersetzungs-übungen.

 

Der Begriff "Grammatik-Übersetzung" war eigentlich ein abwertender Begriff, der von Kritikern des Ansatzes benutzt wurde, die auf die beiden Dinge hinweisen wollten, mit denen sie am meisten zu tun hatten.

Und in der Tat, sowohl die Schullehrer als auch die Schulbehörden waren hinsichtlich der Grammatik- und Übersetzungsaspekte derart enthusiastisch, dass es zu Kursbüchern führte, die mit immer mehr Konjugationstabellen gefüllt waren, da in den Sprachprüfungen der Schwerpunkt auf die Genauigkeit gelegt wurde.

 

In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann der private Sektor, der vielleicht auf die zunehmende Unzufriedenheit mit der Sprach-Vermittlung durch staatliche Schulen setzte, den Markt mit Büchern zu überschwemmen, die neue Methoden enthielten, die schnelle Ergebnisse versprachen.

Dies führte im späten 19. Jahrhundert zum Aufkommen der Sprachschule Berlitz, die den rein einsprachigen Unterricht einleitete und eine Unterrichtsform wählte, in dem Dialoge mit hohem Sprechanteil des Schülers gewährleistet sind.

 

Heutzutage beinhaltet der Unterricht von Englisch als Fremdsprache (TEFL) diese beiden Extreme in gewisser Weise. Aufgabenorientiertes Lernen ist dem Ansatz des Touristen sehr ähnlich: man hat eine Aufgabe zu erfüllen, benutzt ein Modell und probiert es selbst aus, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.

 

Das andere Extrem einer Grammatik-Übersetzungsmethode existiert leider immer noch in vielen traditionellen Lehrkontexten auf der ganzen Welt.